Du wirst es entweder lieben oder andernfalls hassen. Ich bin begeistert von der Wiesn. Das wuselige Treiben in den Schaustellerstraßen und die Atmosphäre in den Bierzelten hat mich schon immer fasziniert. Bevor du deinen Streifzug auf die Wiesn startest, erzähle ich dir vorab etwas über die Geschichte des größten Volksfestes der Welt.
Aufgrund der Hochzeit von Kronprinz Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese am 12. Oktober 1810 fand in München am 17. Oktober ein Pferderennen statt. Auf diese Veranstaltung währt das Oktoberfest
zurück. Der Festplatz lag einstmalig außerhalb der Stadt und wurde wegen seiner natürlichen Eignung ausgesucht. Der Sendlinger Berg, die heutige Theresienhöhe, eignete sich in dem Zweck einer Tribüne für die 40.000 Zuschauer des Rennens. Auf der Festwiese wurde damals nur das Königszelt aufgebaut. Den Besuchern wurde Speis und Trank auf der Anhöhe oberhalb der Tribünenplätze angeboten.
Die Münchner Stadtväter übernahmen 1819 die Festleitung mit der Vorgabe, das Oktoberfest jedes Jahr stattfinden zu lassen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts von 1850 bis 1853 wurde die zwanzig Meter hohe Bavaria Statue
und die Ruhmeshalle fertiggestellt. Am Ende des 19. Jahrhunderts nahm das Oktoberfest die Gestalt des heute in aller Welt bekannten Volksfestes an. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde das Oktoberfest verlängert und dafür in die letzten Septemberwochen zum Altweibersommer gelegt. Somit ist das einleitende Oktoberwochenende dementsprechend das abschließende Wiesnwochenende.
Die erste Hendlbraterei gab es 1881 und vier Jahre später wurden die Außenbereiche elektrisch beleuchtet. Im Jahr 1898 wurde das erste große Festzelt von einem Nürnberger Wirt errichtet. Der sogenannten Bierburg
folgten bald weitere riesige Bierhallen, in denen Musikkapellen zu bekannter Blasmusik aufspielten.
Ein Münchner Schriftsteller, Maximilian Schmidt, organisierte 1895 einen Volkstrachten-Festzug, der weiterhin zum Vorbild für den Trachtenzug an jedem ersten Wiesnsonntag dient.
Den berühmten Fassanstich
gibt es seit 1950 und dieser wurde vom damaligen Oberbürgermeister Thomas Wimmer eingeführt. Bis heute vollzieht sich der traditionelle Fassanstich am ersten Wiesnsamstag um Punkt 12 Uhr, durch den aktuell höchsten Würdenträger der Stadt, in dem Schottenhamel Festzelt.
Das Oktoberfest
zieht in den vergangenen Jahrzehnten alljährlich Millionen Besucher
an. Die Gäste kommen immer zahlreicher aus dem Ausland, vorwiegend aus Italien, aus den USA, Japan und Australien.
Um den übermäßigen Alkoholkonsum Einhalt zu gebieten, gibt es seit 2005 die ruhige Wiesn. Bis 18 Uhr wird in allen Festzelten und einer vorgeschriebenen Dezibel-Lautstärke nur traditionelle Blasmusik dargeboten. Der Plan ist und war die Wiesn für Familien und ältere Besucher, wieder zugkräftiger zu gestalten. Ab 18 Uhr wird in den Zelten in höherer Tonstärke die breite Palette der topaktuellen Musik gespielt.
Ein Abstecher auf die „Oide Wiesn“
Zum 200-jährigen Jubiläum wurde 2010 erstmals ein geschichtsträchtiges Oktoberfest, genannt:
„Oide Wiesn“ auf dem Areal des Zentralen Landwirtschaftsfestes gestaltet. Es eröffnete einen Tag vor Beginn des eigentlichen Oktoberfestes mit dem Fassanstich durch den Oberbürgermeister. Auf dem abgezäunten Gelände präsentierten sich klassische Fahrgeschäfte, Festzelte und andere historische Attraktionen wie beispielsweise eine Steckerlfischbraterei, ein Kettenkarussell oder ein Zuckerwattestand. Gegen einen monetären Eintritt ist es möglich, neben dem Museum, ein Tierzelt sowie die Pferderennbahn zu besichtigen. Begleitet wurde die
Jubiläumswiesn
von einem künstlerischen und kulturellen Rahmenprogramm. Die Musikkapellen im Herzkasperl Festzelt kamen ohne Lautsprecheranlage aus.
Die sechs in der Stadt ansässigen Brauereien Augustiner, Hacker-Pschorr, Hofbräu, Löwenbräu, Paulaner und Spaten präsentierten ausschließlich hier ein gemeinsam gebrautes, dunkles Spezialbier, das nach einer historischen Rezeptur zu Beginn des 19. Jahrhunderts hergestellt wurde. Die Maßkrüge in den Festzelten trugen als Folge dessen die Aufschrift Münchner Bier, und nicht das Unternehmenslogo einer einzelnen Brauerei. Im Gegensatz zum restlichen Oktoberfest schloss die „Oide Wiesn“ bereits um 20 Uhr. In den darauffolgenden Jahren bestand das Traditionsoktoberfest unter der Bezeichnung „Oide Wiesn“ weiter. Das historische Festzelt wurde um 2000 Plätze vergrößert und die altertümlichen Fahrgeschäfte blieben erhalten. Die „Oide Wiesn“ entwickelte sich zu einer Dauereinrichtung und findet alle vier Jahre statt. Diese Veranstaltung ist besonders bei Familien mit Kindern und älteren Münchner*innen beliebt.
Ein Streifzug über die Wiesn
Hast du dir den ersten Blick in die Entstehungsgeschichte des Oktoberfestes verschaffen können?
Dann kann dein Streifzug auf die Wiesn beginnen! Wenn du den Eingang über den Goetheplatz zum Oktoberfestgelände nimmst, fällt dir zu der rechten Seite das „Toboggan“ auf. Das ist eine Turmrutschbahn, die erstmals 1906 aufgestellt wurde. Den jetzigen Toboggan gibt es bereits seit 1933 auf dem Oktoberfest. Der Begriff entstammt der Sprache der kanadischen Algonkin-Indianer und bezeichnet einen leichten Schneeschlitten. Mit einem schnell laufenden Förderband wirst du auf etwa acht Meter Höhe transportiert. Von der Turmspitze rutschst du mit enormer Geschwindigkeit in einer sich um den Turm windenden Holzrinne wieder nach unten. Der besondere Reiz für die Zuschauer sind deine Versuche, das Transportband zu betreten. Bei diesem bewegt sich, anders wie bei einer Rolltreppe, der Handlauf nicht mit, und wenn du dich festhältst, zieht es dir unweigerlich die Füße weg. Du solltest dir den Spaß ebenfalls auf dem Heimweg gönnen, dann hast du einen netten Vergleich vor und nach dem Maß Bier.
Nach dieser Eröffnung blickst du geradewegs auf die Bavaria Statue
zu und kommst an die erste Schaustellerstraßenkreuzung. Hier findest du Fahrgeschäfte aller Art - von gemütlich bis rasant. Auf der linken Seite von dir siehst du am Ende der Straße schon das Logo der Olympia Achterbahn
blinken. Der Olympia Looping ist die Bezeichnung der 1989 auf dem Münchner Oktoberfest eröffneten ersten transportablen größten Achterbahn mit Fünffach-Looping der Welt.
Zu deiner Rechten hörst du schon den Ansager des Teufelsrades. Dieses wurde auf dem Oktoberfest erstmals 1910 aufgebaut. Es handelt sich um eine liegende, drehbare Holzscheibe mit etwa fünf Metern Durchmesser. Die Besucher werden aufgefordert, sich darauf zu setzen oder zu legen und sich bei ständig steigender Drehzahl so lange, wie möglich, auf dieser Scheibe zu halten. Mitarbeiter des Fahrgeschäfts versuchen mit Hilfe eines Strohsacks, die Teilnehmer „herunterzukegeln“ beziehungsweise sie mit einem Lasso herunterzuziehen. Ein Rekommandeur, der die Vorgänge mit derbem bayerischem Humor kommentiert, macht das Teufelsrad zu einer Attraktion für die Zuschauer.
Ein Stück weiter steht das weltberühmte „Schichtl“. Der Schichtl ist seit 1869 fester Bestandteil des Oktoberfestes. In kurzen Vorstellungen werden Zaubereien und Kuriositäten präsentiert. Berühmt wurde der Schichtl durch die Enthauptung einer lebendigen Person mittels Guillotine, die (mit einem der Zuschauer in Gestalt des Enthauptungsopfers) bis heute aufgeführt wird.
Am Ende deines Rundgangs empfehle ich dir schließlich die Krinoline
- ein traditionelles Rundkarussell, das seit den 1920er-Jahren auf dem Oktoberfest steht. Die runde Form und die schwankende Bewegung erinnern an eine Krinoline. Bis 1938 wurde das Karussell mit Muskelkraft bewegt. In jenem Jahr wurde für die Krinoline Blaskapelle an der Außenwand des Karussells ein kleiner Balkon angebaut. Das Fahrgeschäft wird regelmäßig musikalisch durch diese Blaskapelle begleitet.
Beschwingt und durstig steuerst du das legendäre Weißbier-Karussell
an. Dieses hat schon fast einen Kultcharakter. Wenn du Lust auf ein geruhsames Weißbier hast, bist du hier genau goldrichtig. Umrahmt von Hopfenreben und flankiert von Holzpferden dreht sich das Karussell gemütlich im Kreis – nicht zu schnell, damit dir nicht unwohl beim Biergenuss wird.
In ist, wer drin ist. Für deinen Besuch mit einigen Freunden in einem Bierzelt
empfiehlt sich, eine Reservierung im Vorfeld, da es schwierig sein kann, als Gruppe gleichzeitig in das Zelt reinzukommen, um drinnen zusammen zu feiern. Falls du jedoch spontan die Wiesn besuchst, kannst du - je nach Wetterlage erstmal in dem Biergarten des jeweiligen Zeltes verweilen und nebenbei schauen, wie die Einlassregelung an den geschlossenen Türen ist. Ein kleiner Smalltalk mit der Security
ist Gold wert und immer besser als pöbelndes Auftreten.
Die verschiedenen Zelte haben je nach Brauerei
ihr eigenes Bier. Erfahrungsgemäß ist das Augustinerbier stärker als zum Beispiel das Löwenbräu, welches etwas milder schmeckt. Dagegen ist das Hofbräubier süffig und das Spatenbier eher herb.
Wo für dich die beste Musik aufgespielt wird, ist eine Geschmackssache. Im Schottenhamel
geht es traditionell zu, gleichwohl wird im Schützenzelt querbeet - vom Klassiker bis zu Rock und Pop alles gespielt. Die restlichen Zelte bieten aber ein so großes Repertoire an, dass dir nicht langweilig wird.
Wie an jedem Abend wird in allen Zelten um halb elf Uhr das abschließende Lied angestimmt und die letzte Bierbestellung aufgenommen.
Ein ausgefallenes Schmankerl ist, wenn im Löwenbräuzelt am Ende des Tages Sierra Madre gespielt wird. Hierfür kommen die Trompeter der Musikkapelle auf die Balkone des Zeltes und stellen sich positioniert Richtung Zeltmitte auf die Biertische. Der Klang, der durch das Intro der Trompeter erzeugt wird, begeistert jedes Jahr auf das Neue und sorgt für ordentlich Gänsehaut.
Gesellig ist es in allen Zelten. Mir persönlich gefällt das Löwenbräuzelt
am besten.